Herkunftslabels – Ein Ausdruck von Qualität?
Herkunftslabels spielen seit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert eine entscheidende Rolle im globalen Handel. Sie fungieren als Markenkennzeichen, die nicht nur die geographische Herkunft von Produkten bestätigen, sondern auch die Einhaltung gewisser regionaler oder nationaler Herstellungsstandards sicherstellen. In einer globalisierten Welt, in der Verbrauchende Zugang zu einer Vielzahl von Produkten haben, bieten solche Labels eine wichtige Differenzierungsmöglichkeit für Marken und Unternehmen, um sich von anderen Mitwettbewerbern abzuheben. Sie wirken in diesem Zusammenhang als Orientierungshilfe und als Vertrauensanker, der die Herkunft, Qualität und Zuverlässigkeit von Produkten für Konsument:innen absichert.
Ein bekanntes Beispiel für ein solches Herkunftslabel ist „Made in Germany“, das ursprünglich eingeführt wurde, um deutsche Importe von einheimischen Produkten abzugrenzen. Doch im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich dieses von einem Warnzeichen vermeintlich minderwertiger, Importprodukte zu einem Sinnbild für Qualität, Zuverlässigkeit und technologische Exzellenz. Diese Transformation zeigt, wie Herkunftslabels nicht nur die regionale Herkunft eines Produkts widerspiegeln, sondern auch dessen wahrgenommenen Wert beeinflussen können.
Doch wie steht es heute um das Label „Made in Germany“? In einer Zeit, in der asiatische Wettbewerber, allen voran China, ihre Qualitätsstandards sukzessive verbessern und dem hohen deutschen Niveau immer näherkommen, stellt sich die Frage, ob und wie das Label seine Bedeutung in Zukunft verändern muss, um weiterhin relevant zu bleiben. Ein zentraler Aspekt, um auch zukünftig positive Differenzierung im internationalen Wettbewerb zu erlangen, könnte dabei die Auseinandersetzung mit der zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeit und ethischer Verantwortung sein. Es sollte letztendlich im Interesse aller deutscher Unternehmen liegen, zu verhindern, dass „Made in China“ in Zukunft das neue „Made in Germany“ wird.
Eine erstaunliche Transformation – „Made in England“
Während man annehmen würde, „Made in Germany“ sei aus Gründen des Stolzes auf deutsche Qualitätsprodukte entstanden, ist die eigentliche Entstehungsgeschichte eine ganz andere. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebten britische Stahlproduzenten aus Sheffield eine Blütezeit und sahen sich zunehmend durch billige deutsche Importe bedroht. Die deutschen Produkte waren qualitativ nicht mit den britischen vergleichbar, sondern wurden eher als „billig und schlecht“ eingestuft.
Um die günstigeren, deutschen Imitate, die teils selbst mit „Sheffield made“ gekennzeichnet waren, zu untergraben, wurde am 23. August 1887 der Merchandise Marks Act, ein britisches Markenschutzgesetz, eingeführt. Dieses schrieb vor, alle in das Vereinigte Königreich importierten Waren mit einer Herkunftsbezeichnung zu versehen. Deutsche Waren, die unter dem Label „Made in Germany“ eingeführt wurden, sollten die britischen Konsument:innen also davor warnen, vermeintlich minderwertige Produkte zu kaufen.
In den folgenden Jahrzehnten wandelte sich die deutsche Industrie jedoch grundlegend. Heimische Hersteller begannen, ihre Produktion zu modernisieren und perfektionieren. Hierbei fokussierten sie sich auf innovative Industriebereiche, wie die Chemie und Maschinenbauindustrie, und setzten neue Qualitätsmaßstäbe. So konnte schon bald das ursprünglich zur Einschränkung geplante Label als kostenlose Reklame genutzt werden, um die fortschrittlichen und hochwertigen deutschen Produkte international zu vermarkten. „Made in Germany“ als international anerkanntes Qualitätssiegel ist also keine deutsche Erfindung, sondern „Made in England“.
Bedeutungswandel und Veränderung des strategischen Einflusses
Qualität und Vertrauen
Das Label „Made in Germany“ steht auch heute noch für Qualität und Zuverlässigkeit. Insbesondere in Branchen wie dem Maschinenbau und der Chemieindustrie gilt es im globalen Marktumfeld als Synonym für langlebige, leistungsstarke und technologisch fortschrittliche Produkte. Unternehmen wie Krones oder BASF haben maßgeblich dazu beigetragen, höchste Produktions- und Qualitätsstandards zu etablieren und damit diesen Ruf über Jahrzehnte hinweg zu festigen. Laut Statistiken ist das deutsche Herkunftslabel zudem das, welchem Endverbrauchende am meisten vertrauen.
Technologie- und Innovationsführerschaft
Einen weiteren prägenden Aspekt für „Made in Germany“ spielt die Positionierung Deutschlands als führender Anbieter von High-Tech-Produkten und Innovationen. Insbesondere die deutsche Automobilindustrie sowie der Maschinenbau sind das Rückgrat des deutschen Exports und ein entscheidendes Aushängeschild für „Made in Germany“ als Ausdruck langjähriger Ingenieurskunst deutscher Unternehmen. Starke Marken wie BMW oder Mercedes-Benz stehen hierbei exemplarisch als Sinnbilder für diesen technologischen Vorsprung.
Auch im Bereich Industrie 4.0 und der Digitalisierung von Produktionsprozessen hat Deutschland eine führende Position eingenommen. Unternehmen wie Bosch und Siemens treiben die Automatisierung und Vernetzung industrieller Fertigung weiter voran und setzen neue Maßstäbe in der Effizienz und Präzision. Sie beeinflussen damit die Bedeutung des „Made in Germany“-Labels weiter, indem sie ihre Rolle als Innovatoren unterstreichen und das Vertrauen in ihre Lösungen weltweit stärken.
Die Wahrnehmung im internationalen Vergleich
In Europa und Nordamerika, wo Verbrauchende lange Erfahrungen mit deutschen Produkten haben, ist das Vertrauen in das „Made in Germany“-Label besonders hoch und wird mit Qualität, Zuverlässigkeit, Präzision und technologischer Exzellenz verbunden. In Schwellenländern wie China und Indien hingegen fungiert das „Made in Germany“-Label nicht nur als Qualitätsgarant, sondern auch als Symbol für Luxus und Prestige. Die Verbrauchenden in diesen aufstrebenden Märkten assoziieren damit vor allem Premiumprodukte. Das Label wird als Statussymbol wahrgenommen und fördert insbesondere in Premiumsegmenten die Preisbereitschaft der Konsument:innen. Somit wird „Made in Germany“ nicht nur zu einem Differenzierungsmerkmal, sondern trägt maßgeblich zum Ruf und finanziellen Erfolg einer Marke in Schwellenländern bei.
Aktuelle Herausforderungen und mögliche neue Bedeutungen
Während das Label nach wie vor als stärkender Faktor für Marken gilt, wird die Relevanz von „Made in Germany“ im Hinblick auf die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit und ethischen Produktionsbedingungen immer mehr auf die Probe gestellt. Marken, die „Made in Germany“ tragen und sich damit auch in Zukunft auszeichnen wollen, können sich daher nicht mehr ausschließlich auf traditionelle Qualitätsmerkmale verlassen, sondern müssen das Label zunehmend mit Aspekten rund um ihre ethische und soziale Verantwortung aufladen.
Mit der Einführung strikter ESG-Anforderungen und des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) sind Unternehmen nicht mehr frei, ihre umweltbezogenen und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten selbst zu definieren, sondern unterliegen strikten gesetzlichen Vorgaben. Besonders im Fokus stehen hierbei die Reduktion von CO2-Emissionen und die Gewährleistung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Viele Firmen betrachten diese Richtlinien nicht als Einschränkungen, sondern als Chance, sich durch eine herausragende Erfüllung vorgegebener Standards zu profilieren. Diese Entwicklung könnte eine mögliche Chance und einen Bedeutungswandel für das „Made in Germany“-Label bedeuten. Anstatt es weiterhin nur mit höchster Qualität und technologischem Fortschritt zu verbinden, könnte es in Zukunft auch als Symbol für die Sicherstellung von sozialen und umweltbezogenen Pflichten auf globaler Ebene genutzt werden. Mit dieser Entwicklung hin zu einem „Clean Label“ im Sinne eines Symbols für nachhaltige und ethische Praktiken, kann „Made in Germany“ auch in Zukunft positiv zum Markenerfolg beitragen.